Die Kammer des Schreckens

Blockseminar mit André Siegers

In diesem Blockseminar wollen wir uns mit dem sogenannten Kammerspielfilm beschäftigen, der seinen Ausgangspunkt im Weimarer Kino hat, sich aber bis heute in unterschiedlichsten Varianten durch die Filmgeschichte zieht. Filme wie Die Straße (Grune, 1923), Sylvester (Pick, 1924), Der letzte Mann (Murnau, 1924), Hintertreppe (Jessner, 1921) oder Michael (Dreyer, 1924), deuten schon in ihren Titeln einen charakteristischen Umgang mit Raum, Zeit und Personal an und scheinen alles andere als ein Kino des Spektakels zu verheißen. Anders als im späteren Kammerspielfilm Snakes on a Plane (Ellis, 2006), der schon seine komplette Geschichte im Titel trägt, geht es in den an das Theater von Reinhardt angelegten Kammerspielfilmen der Weimarer Republik um kleinbürgerliche Schicksale. Das Kammerspiel isoliert sein Personal und schafft eine einheitliche, raumzeitliche Druckkammer, in der das Gesellschaftspolitische als psychologisches Drama ausgespielt wird. Das Drama besteht dabei in der Ausweglosigkeit der Figuren, die sich in der Begrenzung auf und in der Enge der Räume reflektiert und verschärft. Ein Horror also, der sich in vier Wänden abspielt. Die Reduktion ist dabei paradoxerweise ein Verfahren der Vergrößerung. Objekte, Mimik und Gesten gewinnen durch sie eine übersteigerte Bedeutung. Der Kammerspielfilm transformiert die filmische Nahaufnahme in ein Genre. Die Grunderzählung bleibt dabei immer die gleiche: Eingeschlossene sind wir, dem Horror ausgesetzt. Was ist aber nun dieser Schrecken? Welche Formen hat das Kammerspiel bisweilen in der Filmgeschichte angenommen? In welchen Genres taucht es als Subgenre auf? Mit welchen filmischen Verfahren werden hier Architekturen, Objekte und Figuren inszeniert? Wie wird das Verhältnis zwischen Innen und Außen behandelt? Das sind einige der Fragen, denen wir uns gemeinsam anhand von Beispielen, die von Murnau und Dreyer über Ackermann bis hin zu Zucker/Abrahams reichen, annähern wollen, um auf diese Weise vielleicht doch noch einen Ausweg aus dem Entsetzen zu finden.

Das Seminar findet statt vom 18. – 20.05.2021. Das im WiSe 2020/2021 aufgrund der Corona-Pandemie verschobene 3-tägige Blockseminar wird nachgeholt. Die bereits angemeldeten Teilnehmer*innen des WiSe 2020/2021 werden angeschrieben.

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